… erklärt mir ein marokkanischer Straßenhändler in perfektem Deutsch.

Tanger – Nordafrika – vor unserem geistigen Auge ziehen Berber, Kamelkarawanen, gleißendes Sonnenlicht und heiße Temperaturen vorbei – solange bis uns die harte Wirklichkeit erwischt: 10°C Lufttemperatur – gefühlt höchstens 6°, heftige Regenschauer und Sturm! Aber nichts kann uns zurückhalten, die Stadt auch bei diesem Wetter zu erkunden. Schließlich dauert unser Aufenthalt nur einen Tag, und den wollen wir voll auskosten. So machen wir uns, bewaffnet mit Regenschirm und “fast” Winterjacken auf den Weg in die nordafrikanische Großstadt. Das Gewusel in den schmalen, meist bergaufwärts führenden Gassen ist trotz der immer wieder heftig einsetzenden Regenschauer gigantisch: Autos, Fahrräder, Menschen, Hunde, Katzen, Mofas, Mopeds etc. teilen sich die Straße mit Händlern, die ihren Geschäftsbereich trotz des Regens einfach nach außen vergrößert haben. Spielende, hüpfende Kinder, Frauen die noch schnell für die nächste Mahlzeit einkaufen, Männer, arbeitend, handelnd, Wasserpfeife rauchend, Tee trinkend, schwatzend und spielend bevölkern die Straßen. Unser Weg führt uns von einem Regenunterschlupf zum Nächsten, mitten durchs Getümmel und, trotz des für nordafrikanische Verhältnisse wirklich sehr schlechten Wetters festigt sich der Eindruck, dass sich ein Großteil des Leben auf der Straße abspielt.

Eingang in die Medina

Wir schlendern durch die Medina und kommen zum Markt. Dort allerdings zeigt sich die Stadt noch viel intensiver als in den Gassen: Zunächst ist der Markt in verschiedene Sektoren aufgeteilt, Lebensmittel – Haushaltswaren, Bekleidung, etc., aber sehr bald lösen sich die Zonen auf und wir finden z.B. Gewürze oder Gemüse in direkter Nachbarschaft mit Bergen von Elektroersatzteilen, Schuhen – gebraucht oder neu -, Haushaltswaren ebenfalls neue oder gebrauchte Teile, alles was Menschen je zu irgendetwas gebrauchen können – liegt einträchtig nebeneinander. Die Waren werden auf blanken Tischen, unter Zeltplanen, teilweise im kleinen Kabuff auf dem Markt feilgeboten.

Fasziniert von den Gerüchen, den Menschen und der Lebendigkeit eines orientalischen Marktes lassen wir uns treiben und kommen zum Fisch- und Fleischmarktsektor. Dort allerdings nehmen wir nach wenigen Metern Reißaus, denn manche Händler die gerade schlachten bieten parallel zu ihrer Tätigkeit Fleisch, Geflügel, Fisch, und allerlei, was zum Lebensunterhalt benötigt wird zum Kauf an. Eine unbeschreibliche Atmosphäre und Geschäftigkeit durchzieht den Markt und mangels Sonne wirkt alles dunkel und düster. Laut feilschen die Händler, Gehilfen bekommen Anweisungen, Schwätzchen werden gehalten und Besorgungen gemacht. Gerüche von frischem Schlachtfleisch und Fisch mischen sich mit den Düften der Gewürze und der Hunger im Mitteleuropäischen Magen sollte sich nun nicht gerade jetzt einstellen…

Weiter geht´s, vom Markt zurück, in die Gassen und Straßen der Stadt. Unser Ziel ist es, nun das berühmte Argan-Öl zu finden, um vielleicht ein Fläschchen vom “flüssigen Gold” Marokkos zu kaufen. Also machen wir uns auf die Suche. Leichter gesagt als getan, in dem Staat in welchem im südwestlichen Teil des Landes die einzigen Arganbäume weltweit stehen, und deren Früchte zu dem kostbaren und bei uns sehr teuren Öl auch im Land verarbeitet werden – wir finden – nichts.

Öle und Parfum

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Unsere nächste Einkaufsidee ist für die lieben Daheimgebliebenen die oft gepriesene originale Berbermusik zu kaufen, welche auch viele westliche Musiker inspiriert hat, so z.B. auch Brian Jones. Auch dies ist leichter gesagt als getan denn: Wie nannte unser Kunsthistoriker, der uns auf dem Schiff auf die Stadt einstimmte, die Musik? Jajouka oder Tschjouka? Von den Eindrücken und der Geschäftigkeit dieser gigantischen Stadt fasziniert, fällt uns die richtige Bezeichnung der originalen Berbermusik aus der Sahara einfach nicht mehr ein.

Egal, wozu hat man also einen Mund zum Fragen?

Sämtliche Händler, große, kleine, mittlere, fliegende, mit oder ohne Auslagen fragen wir nach der original Berber-Musik aus dem Riff-Gebirge, Vergeblich … Anfangs fragen wir auf Englisch bis wir, immer wieder nach unserer Nationalität gefragt, uns oft in unserer deutschen Muttersprache radebrechend mit unserem Gegenüber unterhalten können. Jedoch alle Mühe ist vergebens, diese besondere, mystische marokkanische Musik aus dem Riff-Gebirge ist in Tanger scheinbar unbekannt… bis wir auf einen kleinen Jungen stoßen: der Bub ist so fit, dass er sofort schaltet, nach seinem “Chef” rennt und dieser uns tatsächlich die gewünschte Musik, selbstverständlich als CD, anbietet.

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Ähnlich verläuft das Einkaufserlebnis “Tasche”. Auf der Suche nach einem typisch marokkanischen Sitzkissen fällt uns eine Herren-Aktentasche in die Hände. Wunderschön gearbeitet aus echtem Leder, mit vielfältigem Innenleben. Einmal in die Hand genommen und näher betrachtet, ist das für den Geschäftsinhaber das Signal zum Verkauf dieser Tasche, und die Verhandlungen werden nun auch noch auf die Tasche ausgedehnt – meinem Mann gar nicht so unrecht, wie ich sehr schnell merke. Aber das Reich der Taschen ist groß in einem Marokkanischen Lederwarengeschäft und wir sind unschlüssig … “Kommen Sie mit mir” spricht uns Ismail vor dem Laden an “Ich zeige Euch noch viel schönere und bessere Taschen als diese – aus echtem Kuhleder, ganz billig und super gut – nur ein kurzes Stück …” behauptet der junge Marokkaner und lächelt uns dabei freundlich an. Mit einem Schlag ist unsere Skepsis und der Vorsatz uns nicht ansprechen zu lassen, bei so viel Freundlichkeit verflogen und wir gehen treu, uns immer wieder vor einem Regenguss rettend, mit ihm durch das Gassengewirr von Tanger …

Und wahrhaftig, eine unglaubliche Auswahl an Taschen finden wir. Nun ist unser Ehrgeiz geweckt. Statt des Sitzkissens soll es nun wirklich eine dieser wunderschön verarbeiteten Taschen aus “echtem, stabil und edel gebeizten Kuhleder” – wie er uns versichert – werden. Also schauen, was auf dem “Markt” angeboten ist: Dazu müssen wir raus aus diesem Laden und rein in den nächsten, raus aus jenem und rein in einen anderen … Ismail lässt uns nicht aus den Augen, und steht immer “beratend zur Seite”. Jedoch stellt sich bald heraus, dass unser Schlepper recht hat, die Qualität, die er uns zeigte, finden wir nicht so leicht wieder. Also zurück zu dem Händler! Und nach zähen Verhandlungen und einigen Fotos später hat die wunderschöne, handgearbeitete Lederaktentasche einen neuen Besitzer und Ismail verabschiedet sich höflich und zufrieden von uns – das “Geschäft” hat sich auch für Ihn gelohnt.

Nun ist wirklich viel Zeit vergangen, und wir erinnern uns wieder an unseren Kunsthistoriker. Bereits an Bord erzählte er vom legendären Hotel Continental in Tanger. Dies ist unser nächstes Ziel. Der Stadtplan gibt Auskunft und der Weg dorthin scheint gar nicht so weit zu sein. Bald können wir uns an den großen Lettern orientieren, die an der Hotelfassade angebracht und schon von weitem zu sehen sind und freuen uns, wie wir glauben den Hintereingang bzw. den Eingang über den Parkplatz gefunden zu haben. Majestätisch thront das Hotel an einem Berghang mitten in der geschäftigen Stadt, und der Blick von der Freitreppe reicht weit über den Hafen zum Atlantik. Gigantisch. Doch ruhig ist es im Hotel, wir rätseln kurz: Mittagspause? Geschlossen? Ruhetag …? Wir hoffen nicht und hören plötzlich fröhliches Lachen … und tatsächlich, nicht weit von der imposanten, im nordafrikanischen Stil gehaltenen Rezeption sind die Kellner in einem kleinen Speisesaal damit beschäftigt einen riesigen Kronleuchter an der Decke zu befestigen… wir werden kurz und freundlich begrüßt, aber der Job geht vor… In aller Ruhe können wir uns nun in den Räumlichkeiten und an der Rezeption umschauen und nebenbei unsere Wünsche anmelden. Tee wünschen wir, echten Pfefferminztee. “Gerne, sofort”, ist die Antwort der Kellner und werden in die Glasveranda des Hotels geführt. Dort können wir unseren Pfefferminztee stilvoll – mit echten Pfefferminzblättern im Glas und kochend heiß – genießen. Der Charme des Hotels und das Ambiente des Raums ist schlichtweg überwältigend. Der alte, feingliedrige Mosaikfußboden der Veranda, die geschwungenen, wunderschön bunt verglasten Fenster, die sich zu Meer und Himmel hin öffnen, Stühle und Tische, aus Eisen, gebogen und gedreht, wecken Gedanken an Märchen aus 1001 Nacht. Ein Augenblick zum Entspannen und Innehalten mit traumhaften Blick auf Stadt und Atlantik. Doch die Zeit verstreicht. Wir müssen weiter, wollen aber noch einen kurzen Blick in den hoteleigenen Bazar werfen, den wir bei unserer kleinen Warteschleife bemerkt haben. Wieder freundlicher Empfang, die Frage nach der Nationalität und nun, auf unsere Antwort: ”Ah, ich kenne in Deutschland Baden-Württemberg, Ulm, Karlsruhe, Freiburg, sie auch???!!!” Ja, wir auch, sind wir doch in Baden-Württemberg zu Hause. Aber das ist im Moment zweitrangig angesichts der Schätze, die der Händler im Bazar des Hotel Continental in Tanger anbietet: alten Berberschmuck, Parfumflacons, Lämpchen, Kerzenhalter, Tisch- bzw. Kochgeräte aus Messing oder anderem Metall, kleine Teppiche, Schalen, Trinkgefäße …. der Hausrat und die Alltagsaccessoires aus dem nordafrikanischen Land – viel kommt direkt von Berberstämmen aus der Wüste – wie er uns versichert, ist für uns Europäer absolut faszinierend. Das Stöbern in dem Bazar ist super spannend, immer wieder stoßen wir auf besondere, oft antike Gegenstände und das Beste, der Chef des Ladens kann zu fast jedem Gegenstand eine Geschichte erzählen …

Die weitgereiste Teekanne

Eine Teekanne hat es uns besonders angetan. Mit einem Berberstamm in der Sahara wohl weit herumgekommen erzählt uns der Ladeninhaber, steht sie nun hier im Regal. Fein ziseliert, mit Kamelknochen geschmückt, die teilweise mit Henna gefärbt wurden, wartet sie nun auf Käufer. Und sie steht bei unserem Anblick nicht mehr lange in der staubigen Vitrine … Zu benutzen ist sie sicherlich nicht, aber die Geschichten und Erlebnisse die sie birgt, machen die Kanne wahrhaftig einmalig, wir können ihr nicht widerstehen. Beim Bezahlen schließlich erzählt der Geschäftsinhaber voller Stolz, dass bei ihm auch Internationale Filmgrößen eingekauft haben und weist auf diverse Fotos im Kassenbereich – Hollywood lässt grüßen.

Ein Laden in der Altstadt von Tanger

Der dunklen Höhle des Continental-Bazars entkommen, stehen wir wieder auf der großen Freitreppe vor dem Hotel und genießen den Blick über die Gartenterrasse des Hotels, über die Stadt, das Hafengetümmel und den weiten Atlantik – und suchen nach dem Hauptein- bzw. Ausgang. Aber umsonst, schnell wird uns klar, dass der Parkplatz der einzige Eingang zu diesem feudalen Hotel ist.

Müde sind wir nun. Nach diesem erlebnisreichen Tag wollen wir etwas entspannen und machen uns auf den Weg zurück zum Schiff. Im Hafengebiet angekommen erwischt uns schon wieder ein Regenschauer und wir müssen uns nun dringend trockene Kleidung anziehen.

Jedoch lockt der Hafen nach einer kurzen Verschnauf- und Regenpause noch einmal, und ich wage einen erneuten Versuch, meine Füße auf nordafrikanischen Boden zu setzten. Diesmal bin ich alleine. Die Hafenhändler haben es mir angetan: Vermummt in Ihre Kaftane, die Kaputzen weit ins Gesicht gezogen und dicke Planen über ihren Verkaufsständen, möchten sie gerne noch etwas verkaufen. Die Preise sind auch hier verhandelbar und die Freundlichkeit und Sprachgewandtheit der Händler enorm. Auf die freundliche Frage eines Gürtelverkäufers woher ich komme antworte ich Deutschland. “Deutschland …” kommt es mit Akzent aber gut gesprochen zurück, “da kennen Sie ja dieses Wetter. Für Sie sicherlich enttäuschend, dass es heute bei uns so ist. Aber bedenken sie, wir können den Regen gut gebrauchen. Für uns ist der Regen ein Segen.”

Straßenszene Tanger/Nordafrika

Mit diesen Worten im Ohr verlassen wir Tanger unter Regen und Sturm und äußerst unangenehmen Temperaturen in Richtung Mittelmeer. An Eindrücken und menschlichen Kontakten hatte die Stadt, die auch das “Tor Afrikas” genannt wird, wahrhaftig jede Menge zu bieten.

(skb)

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