„Vorsicht, da kommt von oben ein gefüllter Wassereimer“, sagt mein Mann und schubst mich leicht zur Seite. In den engen und teilweise steilen Gassen im spanischen Viertel in Neapel offensichtlich eine Selbstverständlichkeit – für uns jedoch ungewöhnlich – ebenso wie das Getümmel an der Kreuzung gleich nach dem Verlassen des Hafengebiets: eine vierspurige Straße ist zu überqueren, Autos hupen, Mopeds knattern, Polizeisirenen heulen – und eine rote Vespa bringt einen Eiswagen, randvoll mit köstlichem original neapolitanischem Zitronensorbet – dieses Klischee wird zur Wirklichkeit, morgens um 10 Uhr, an einer der belebtesten Ecken von Neapel. Die Straßenhändler, einschließlich des Eisverkäufers, haben sich strategisch gut aufgestellt, denn an dieser Ecke müssen die meisten der Kreuzfahrttouristen vorbei, sofern sie in die Innenstadt von Neapel möchten. Und das sind heute viele.



Straßenhändler bieten alles
„Brauchst Du eine Uhr? Schöne Taschen, Sonnenbrillen, Handys, Kosmetikartikel…?“ Man hat das Gefühl, dass es nichts gibt, was die Straßenhändler nicht anbieten. Selbst Heimhandwerker und Männer die schnell noch auf dem Weg zur Arbeit dem Bartwuchs zu Leibe rücken möchten, können sich hier eindecken und mit allem versorgen. Genauso wie auf der Via Toledo, Neapel’s nobler Einkaufsstraße.



Dort angekommen präsentieren sich noch mehr Mopeds, noch mehr Polizeisirenen, noch mehr Menschen, noch mehr Geschäfte, noch mehr Huperei, noch mehr Lebhaftigkeit – eben süditalienische Lebendigkeit und Chaos pur. Winzig kleine Läden, teilweise gerade zwei Meter breit und mit ausgesuchtem, italienischem Sortiment, wetteifern, ebenso wie große internationale Marken, um die Passanten auf der bereits im 16. Jahrhundert gebauten Straße die die Grenze zum spanischen Viertel bildet.

Das Stadtquartier wurde während der Amtszeit des spanischen Vizekönigs ‚Pedro Alvarez de Toledo‘ zwischen 1532 und 1553 schachbrettmäßig angelegt, und die Straße sowie das Stadtviertel tragen deshalb die spanischen Namenszüge. Es liegt unterhalb der Festung St. Elm, die auf dem Hügel Vomero über der Stadt thront, und ist von der Via Toledo im wahrsten Sinn des Wortes nur einen Steinwurf entfernt.
Das Quartiri Spagnoli in Neapel
Im ‚Quartiri spagnoli‘, der Stadt in der Stadt wie sie auch genannt wird, setzt sich die italienische Lebendigkeit intensiv fort: Gassen, gerade mal Handtuchbreit werden gesäumt von fünf- bis sechsstöckigen Häusern und bevölkert von Menschen, die häufig an der Armutsgrenze leben. Viele Menschen, vor allem Ältere und Frauen leben in den sogenannten ‚Bassi‘, den ebenerdigen Wohnungen, die oftmals nur aus einem Raum, in dem das gesamte Leben stattfindet, bestehen. Die Straße oder Gasse ist die Terrasse und das Leben öffentlich. Hunde, Katzen, Kinder, Wäsche, Mofas, Blumen, Mopeds, Müll, Autos, Stomleitungen, Basilikumtöpfe, Satelitenschüsseln, Topfpflanzen, Heiligenschreine, Klimaanlagen, verlockender Pizzaduft, Gelächter, Geschrei, Hupen, Espressodüfte, Radiogedudel, akustische Fetzen aus Fernsehsendungen, gefüllte Wassereimer, gut gefüllte Einkaufskörbe am Zugseil, oder aber auch Kleiderbügel, die schon mal von oben herabsegeln, teilen sich die Gassen und kleinen Plätze.



Unüberhörbar und absolut südländisch temperamentvoll sind auch die Fischhändler an der Piazza Pignasecca. Dort an der Ecke Via Portamedina, Vico Tre Torensi, und Via Pignasecca findet jeden Vormittag ein Victualienmarkt statt, der die Menschen im Viertel mit absolut fangfrischem Mittelmeerfisch, leckerem Gemüse und allerlei weiteren Dingen des täglichen Bedarfs versorgt und die Einkaufskörbe füllt.

Alles was man zum täglichen Leben braucht
Der Markt ist bunt, lebendig und lautstark und bietet die Zutaten für die weltweit bekannte klassische neapolitanische Küche. Weit über die Grenzen Napolis, nämlich in der gesamten Welt, ist auch die Pizza Napoli bekannt, die hier im Viertel zu den Grundnahrungsmitteln zählt. Pausenlos frisch zubereitet und köstlich duftend und super günstig an jeder Ecke angeboten.

Zitronensorbet
Buchstäblich in aller Munde ist auch das kampanisch-neapolitanische Zitronensorbet. Bergauf in Richtung Festung St. Elm heißt es wieder „Achtung Wasser von oben.“ Ein gefüllter Wassereimer kommt uns auch hier entgegen. Das Wasser fließt auf dem schwarzen Vulkangestein aus Pipernum mit dem große Teile des ‚Quartiri spagnoli‘ erbaut sind den Berg hinab.


Maria, die Mama des Vespachauffeurs, rührt mit Hilfe ihrer Söhne das Zitronensorbet an, dass später an der strategisch bedeutsamen Stelle, kurz vor dem Hafen, mit Hilfe der roten Vespa in großen gekühlten Kübeln den Touristen angeboten wird. Praktischerweise und im spanischen Viertel von Neapel selbstverständlich auf der Gasse.
