„Kennen Sie die drei „G“ die man benötigt um Russland, oder auch eine russische Stadt zu bereisen?“ ist die erste Frage von Tamara, unserem Guide für den ersten Tag in St. Petersburg. Die kleine, circa einen Meter fünfzig große Dame – auf den ersten Blick ein russisches Mütterchen wie aus dem Bilderbuch – erwartet uns am Kreuzfahrtterminal „ Marin Facade“ in der nördlichsten Millionenstadt der Welt.
… führt durch die großen Kirchen von St. Petersburg
Ein alter, fleckiger Zettel, auf dem unser Name handschriftlich in großen lateinischen Buchstaben steht, dient als Erkennungszeichen. Tamara wirkt – im Gegensatz zu den ernst dreinblickenden Zollbeamten – vergnügt und äußerst gesprächig – und der russische Wagen samt Wassili, dem Fahrer, steht direkt vor der Tür des Terminals, bequemer kann es nicht sein. Auch die Formalitäten am Zollschalter, wir nutzen das Tourticket für Kreuzfahrttouristen die weniger als 72 Stunden in der Stadt weilen und auch auf dem Kreuzfahrtschiff übernachten, klappen hervorragend und reibungslos – auf in die Stadt also!
Auf der Fahrt in die Megacity legt unsere Reiseleiterin, die für diese Art der Einreise nach Russland lizenziert sein sollte, sofort los. Stellt die Stadt, das Land und Ihren beruflichen Werdegang in Kurzform, jedoch mit vielen Worten vor, und heiß uns Touristen im Land und in der Stadt ganz herzlich willkommen.
Umfangreiches Programm
Unser Programm für diesen Tag in der Stadt ist umfangreich, wir haben es bereits im Voraus festgelegt und per E-Mail nach Russland geschickt. Auf dem Zettel von Tamara ist es am Rand notiert, ganz unbürokratisch neben anderen Notizen. Es wurde von der Agentur beim russ. Staat zusammen mit unseren Passdaten eingereicht. Somit steht uns für die Besichtigung der Zarenstadt mit der lizensierten Reiseleiterin, und dem ebenfalls lizensierten Auto mit Fahrer nichts mehr im Weg.
Tamara brilliert mit enormen Wissen, perfektem Deutsch und einer Überraschung: dem Pfingstgottesdienst in der russisch orthodoxen Nikolaus-Marine-Kathedrale im Seefahrerviertel von St. Petersburg.
Bei der Vorbereitung und während der Reise ist ein guter Reiseführer empfehlenswert, zum Beispiel der von Michael Müller: *
In der Kirche, die nach russischer Tradition zwei Stockwerke umfasst ist heute, am Hochfesttag Pfingsten, auch das obere Stockwerk, die Sommerkirche geöffnet. Bereits beim Betreten des Gotteshauses strahlen die Goldarbeiten der Unterkirche einen unermesslichen Glanz aus. Der Chor erklingt und Weihrauch liegt in der Luft.
Geblendet vom Gold
Das Gold, das den Besucher fast blendet zeigt sich im oberen Stockwerk noch grandioser. Die reich geschmückte und ausgestattete Ikonenwand, ist in diesem Teil der Kirche noch üppiger, noch großartiger, noch pompöser. Die herrliche Ikonostase, die eindrucksvollen Gewänder des Bischofs, der Priester und Messdiener, der Geruch des kostbaren Weihrauchs in goldenen Gefäßen die vielen brennenden Kerzen, die Gesänge und Gebete der Patriarchen erzeugen eine unglaubliche Stimmung und Erfurcht unter den Gläubigen und auch unter den Touristen. Das Ritual des Gottesdienstes wird gestützt durch den Gesang des Chors, der sich noch einmal höher im Kirchenraum, unterhalb der enormen Kirchenkuppel, gefühlt fast unter der Himmelskuppel, befindet. Er setzt immer wieder mit einer Vielzahl an Stimmen, an Stelle von Instrumentalmusik die es in russisch-Orthodxen Kirchen nicht gibt, in den Ablauf des Gottesdienstes ein.
Schutzkirche der Seefahrer
„Diese Kirche“ so Tamara, „war auch zu Sowjet Zeiten immer Kirche. Dies ist erwähnenswert, denn viele Kirchen in Petersburg oder anderswo in Russland wurden während der Sowjetzeiten zur profanen Nutzung umfunktioniert. Sie dienten häufig als Lager, Museum oder auch Eislaufbahn. „Sogar ein Schwimmbad wurde in einer Kirche installiert“, referiert Tamara weiter. „Die Nikolaus-Marine-Kathedrale, die die Schutzkirche der Seefahrer ist, wurde von 1753 bis 1762 vom Architekten Sawa Tschewakinskij, einem Schüler Rastrellis, der wiederum den Katharinenpalast in Zarskoje Selo baute, erbaut“. So doziert unser russischen Mütterchen und glänzt mit ihrem Wissen. „Sie ist meine Taufkirche. Und es ist eines der drei ‚G’s‘, nämlich Glück für Euch Gäste, dass heute an Pfingsten ist. Deshalb ist das obere Stockwerk geöffnet und es wird dieser imposante Gottesdienst gefeiert wird.
Die anderen beiden Attribute der ‚G-Reihe‘, nämlich Gummistifel und Geduld benötigen wir angesichts des Wetters und des Wochentags hier in Pieter – wie wir Russen gerne unsere Stadt nennen – im Moment nicht“ erklärt Tamara vergnügt und mit einem Augenzwinkern, denn die Sonne scheint und die Straßen von St. Petersburg sind angenehm leer an diesem Feiertag – die Fahrt durch Petersburg kann also weitergehen.
Eine ganz besondere Kirche
Die Auferstehungskirche, Erlöserkirche oder Blutkirche, alle drei Namen treffen auf dieses Gebäude zu, ist unser nächstes Ziel. Tamara hat bereits Karten im Vorfeld für uns geordert. Damit kommen wir an der enormen Schlange vorbei und schnell in das Innere des Gebäudes.
Dort überraschen uns die imposanten Mosaiken. Nur wenig Tageslicht durchbricht die bunten Glasfenster und erzeugt eine märchenhafte, geheimnisvolle Atmosphäre. Die Kirche, die zu Sowjetzeiten auch einmal als Kartoffellager gedient hat und laut Tamara auch einmal Konzertsaal und Theater war, ist heute ein eindrucksvolles Museum. Auch von Außen ist das Gebäude auffällig. „Von Zar Alexander III. in Auftrag gegeben, ist es die einzige der großen Kirchen in der Stadt. Sie hat ein Zeichen gegen die westliche Architektur unter den großen Kirchen gesetzt“, erzählt unsere Führerin. Und selbstverständlich erinnert sie uns auf dem Vorplatz, an die Entstehungsgeschichte. Auch die Stelle des Attentats kann Tamara genau zeigen. Alexander II. wurde durch ein Attentat getötet. Sein Sohn lies diese daraufhin diese märchenhafte „Bluts-Kirche“ weniger als Kirche sondern vielmehr als Denkmal an den Vater, errichten.
Dieser Reiseführer war für unsere Reise sehr hifreich: *
Ein Museum der russischen Geologie
Unser Weg durch St. Petersburg führt uns weiter zu einer der größten Kathedralen der Welt. Die Issakskathedrale ist das nächste Ziel. Die unterschiedlichsten Marmorsorten und Edelsteine die aus ganz Russland zur Ausschmückung der Kathedrale im 19 Jahrhundert nach St. Petersburg gebracht wurden verhelfen der Kirche zu einem weiteren Namen: „Es ist das Museum der russischen Geologie“, erzählt Tamara mit einem Augenzwinkern.
Zehn Säulen aus Malachit und zwei aus Lapislazuli. Gold und Edelsteine, einige Hundert Gemälde und Mosaike überwältigen die Besucher im Innern. Die Hauptkuppel von einem der größten sakralen Kuppelbauten der Welt schmücken innen Gemälde, außen ist die Kuppel komplett vergoldet und ein Wahrzeichen der Stadt. „Im Krieg wurde die Kuppel jedoch zeitweise grau gestrichen um nicht aufzufallen“ weiß Tamara aus eigener Erfahrung.
Die Kathedrale, die seit Anfang der 30er Jahre des letzten Jahrhunderts als Museum dient, ruht auf fast 11.000 geteerten Baumstämmen. Sie wurden in den Sumpf der Stadt gerammt wurden. Und auch die Kuppel des Gebäudes beinhaltet eine weitere Superlative: „Wir hatten hier in Pieter weltweit die erste Kuppel aus Metall“, weiß Tamara. Sie ist stolz auf Ihre Heimatstadt und auch ein bisschen auf die Kirchen der Stadt, in denen der Gottesdienst immer im Stehen stattfindet.
Eine andere Welt
Der Gottesdienst soll nach dem russisch-orthodoxen Glauben durch die üppig bemalten und reich mit Gold und Ikonen ausgestatteten Kirchen die Gläubigen in eine andere Welt und über den Alltag und die Umgebung hinaus führen. Schönheit und auch ein Stück Hoffnung soll vermittelt werden. So zumindest die Interpretation der Nestorchronik des alten Russlands. Absolut nachvollziehbar ist diese Interpretation beim Rückblick auf unsere Tour mit dem russischen Mütterchen durch die Kirchen von St. Petersburg.
(skb)
*Affiliatelinks/Werbelinks